„Was früheren Generationen heilig war, bleibt auch uns heilig und groß; es kann nicht plötzlich rundum verboten oder gar schädlich sein.“
Papst Benedikt XVI. 2007 zu Summorum Pontificum.
Themen und Meldungen:
Widerstand und Widerspruch
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- 26. März 2021
Unbeeindruckt von der Anordnung des Staatssekretariats zum Verbot von Einzelmessen in St. Peter hat der polnische Kardinal Krajewski am gestrigen Donnerstag, wie es seit Jahren seine allwöchentliche Gewohnheit ist, am Altar mit dem Grab des h. Johannes Paul II. eine „Einzelmesse“ in polnischer Sprache für die polnische Gemeinde in Rom zelebriert. Zur Erinnerung: Kardinal Krajewski war es auch, der nach der vatikanischen Anordnung zur Schließung sämtlicher Kirchen bei der ersten Covid-Welle im vergangenen Frühjahr seine Titularkirche für die Gläubigen und die Messfeier offen hielt. (Quelle für Nachricht und Bild)
Der deutsche Kardinal Walter Brandmüller hat in der Tagespost einen Artikel veröffentlicht, in dem er sich den Protesten gegen die Neuregelung, wie sie zuvor bereits von den Kardinälen Müller und Burke geäußert worden waren, anschließt. Wie diese erklärt er die Anordnung für rechtswidrig und ungültig und verweist mit Nachdruck auf die Unangemessenheit der Maßnahme auch unter pastoralen Gesichtspunkten:
Darüber hinaus geht es in diesem Fall auch um berechtigte Anliegen der Seelsorge wie der Frömmigkeit, denen Rechnung zu tragen ist. Die Basilika über dem Grab des Apostelfürsten Petrus und den Gräbern vieler Heiliger ist auf dem Erdkreis einzigartig, Zentrum der Weltkirche und von frühesten Zeiten an Wallfahrtsziel der Gläubigen aus aller Welt.
Den vielen Pilgern, namentlich den Priestern, die in großer Zahl aus entfernten Gegenden der Welt nach Rom kommen, die Möglichkeit zur Feier der heiligen Messe gleichsam im Haus des Vaters vorzuenthalten, wäre schlechterdings nicht zu verantworten.
Hl. Dismas, bitte für uns
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- 25. März 2021
Das am 25. März begangene Fest der Verkündigung Mariens läßt mit gutem Recht einen Gedenktag in den Hintergrund treten, der im traditionellen Martyrologium Romanum für den gleichen Tag angegeben ist: Das Gedächtnis des sancti latronis, des heiligen Räubers, von dem im Lukasevangelium (23,43) berichtet wird, daß er zur Rechten Christi gekreuzigt - und gerettet - worden ist. Mehr als diese kurze Erwähnung ist der heiligen Schrift nicht zu entnehmen - eine schwer erträgliche Leerstelle, die denn auch im auf das 3. Jahrhundert zurückgehenden apokryphen Nikodemus-Evangelium (spätes 3. Jh.) auf bemerkenswerte Weise ergänzt wird.
Im Mittelpunkt dieser romanhaften Schrift steht der dramatische Bericht von der „Höllenfahrt“ des auferstandenen Christus und die Befreiung der Gerechten des Alten Bundes aus der Macht des Hades. Im Triumph ziehen die Stammeltern und die Väter der Vorzeit zum Paradies und haben eine bemerkenswerte Begegnung:
Als sie nun durch das Tor des Paradieses einzogen, kamen ihnen zwei Greise entgegen. Die heiligen Väter fragten sie: Wer seid ihr, daß ihr den Tod nicht gesehen habt und in den Hades nicht hinabgestiegen seid, sondern mit Leib und Seele im Paradiese wohnet?
Einer von ihnen antwortete: Ich bin Enoch, der Gottes Wohlgefallen erwarb und von ihm hierhin entrückt wurde. Und dieser ist der Thesbiter Elias. Wir sollen leben bis zur Vollendung der Welt. Dann aber sollen wir von Gott entsandt werden, damit wir dem Antichrist entgegentreten und von ihm getötet werden. Und nach drei Tagen sollen wir wieder auferstehen und auf Wolken dem Herrn entgegen entrafft werden.
Während sie so miteinander sprachen, kam ein anderer, ein unscheinbarer Mensch, der auf seiner Schulter ein Kreuz trug.
Ihn fragten die heiligen Väter: Wer bist du, der du das Aussehen eines Räubers hast, und was ist das für ein Kreuz, das du auf der Schulter trägst?
Er antwortete: Ich war, wie ihr sagt, ein Räuber und Dieb in der Welt, und deshalb ergriffen mich die Juden und überlieferten mich dem Kreuzestode zugleich mit unserem Herrn Jesus Christus. Als er nun am Kreuz hing, schaute ich die Zeichen, die geschahen, und glaubte so an ihn. Und ich rief ihn an und sprach:
Herr, wenn du herrschen wirst, dann vergiß mich nicht!
Und sogleich sprach er zu mir: Wahrlich, wahrlich, heute, sage ich dir, wirst du mit mir im Paradiese sein.
Mein Kreuz tragend, kam ich also zum Paradiese, fand den Erzengel Michael und sagte zu ihm: Unser Herr Jesus, der Gekreuzigte, hat mich hergeschickt. Führe mich also zum Tor des Gartens Eden! Und da das flammende Schwert das Zeichen des Kreuzes sah, öffnete er mir, und ich ging hinein. Dann sprach der Erzengel zu mir: Warte ein Weilchen! Denn da kommt auch der Urvater des Menschengeschlechts Adam mit den Gerechten, damit auch sie hier eintreten. Und da ich euch jetzt sah, ging ich euch entgegen.
Als die Heiligen das hörten, riefen sie alle mit lauter Stimme: Groß ist unser Herr, und groß ist seine Kraft!“
Und so begegnet uns in durchaus folgerichtiger Fortschreibung des Evangeliums der gute Schächer wieder, und im 10. Kapitel des „Nikodemus-Evangeliums“ wird denn auch „Dysmas“ als sein Name genannt.
St. Peter - nur ein totes Museum?
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- 23. März 2021
Seit gestern steht die Peterskirche unter dem Diktat einer rechtswidrigen und ungültigen (so die Kardinäle Müller und Burke) Anordnung, die „Einzelmessen“ verbietet und die überlieferte Liturgie des authentischen römischen Ritus in eine Kapelle mit 8 Plätzen in der Unterkirche verbannt. Zwei amerikanische Vatikan-Journalisten waren am Montag Vormittag vor Ort – Edward Pentin um kurz nach 7 Uhr, Courtney Mares gegen 8 Uhr 30. Beide melden den gleichen Befund: An den nach verbindlichem Zeitplan angesetzten jeweils zwei Konzelebrationen nehmen noch nicht einmal eine handvoll Priester teil, auch so gut wie keine Gläubigen. Leere und bleierne Stille in dem riesigen Gotteshaus, beide Journalisten fühlen sich in ein totes Museum versetzt.
Hoffnungen, durch Briefe und Mails an das Staatsekretariat die Anordnung zurücknehmen lassen zu können, haben sich nicht erfüllt. Der Apparat hat die Petenten noch nicht einmal einer Antwort gewürdigt. Er nutzte auch nicht die Woche bis zum Inkrafttreten der Anordnung, dieser eine zumindest den formalen Anforderungen eines Rechtsaktes entsprechende Form zu geben: Nach wie vor kommt der Ukas von einer für die Reglung der Liturgie unbefugten Stelle und richtet sich an die Hausmeisterei statt an den Erzpriester der Basilika als den zuständigen Kirchenrektor. Verachtung des Rechtes entwickelt sich zu einem Kennzeichen dieses unglückseligen Pontifikats, seitdem Franziskus nach seiner Amtsübernahme die zeremonielle Fußwaschung am Gründonnerstag einerseits auch für Frauen „aus dem Volk Gottes“ öffnete, andererseits aber selbst auch an moslemischen Gefängnisinsassen und -insassinen vollzog. Doch auch wenn der gegenwärtige Amtsverweser es anders sieht: der Papst steht nicht über dem Gesetz. Er kann Gesetze erlassen oder ändern – aber wenn er sie einfach ignoriert, wie das manche seiner Vorgänger in Renaissance und Barock gewohnt waren, beschädigt er aufs schwerste die Achtung vor dem Recht und das römische Erbe der Kirche - ebenso die Achtung seiner eigenen Person.
Zur Sache Konzelebration selbst haben wir bereits hier das Nötige gesagt. Bleibt uns noch der Verweis auf einen ausgezeichneten Artikel des amerikanischen Publizisten Robert Royal auf „The Catholic Thing“, in dem der Autor eine Passage aus einem Brief des hl. John Henry Newman aus dem Jahr 1846 zitiert – das war ein Jahr nach der Aufnahme Newmans in die katholische Kirche. Newman beschreibt darin, wie er die zahlreichen „Einzelzelebrationen“ an einem frühen Morgen im Dom von Mailand erlebt hat:
Ich habe schon vor Monaten gesagt, daß ich nie wirklich wußte, was Gottesdienst als objektives Geschehen bedeutet, bevor ich zur katholischen Kirche kam und Teilnehmer an ihrem öffentlichen Gottesdienst wurde. Nun sage ich das selbe über ihre Art der Nutzung von Kathedralen. Ich kann mich da nur schlecht ausdrücken und bin unsicher, ob sie mich verstehen, aber eine kaholische Kathedrale ist eine Art von Welt für sich, jeder geht seinen eigenen Geschäften nach , aber diese „Geschäfte“ sind spiritueller Art. Beter, in Gruppen oder einzeln, knien oder stehen an verschiedenen Plätzen, – einige an Schreinen, andere an Altären – sie hören die Messe und kommunizieren, Ströme von Gläubigen treffen aufeinander oder gehen aneinander vorbei – ein Altar nach dem anderen wird für die Messe erleuchtet, wie Sterne am Himmel – Glocken teilen mit, was an Stellen geschieht, die man nicht sehen kann – und während alledem singen die Kanoniker in ihrem Chor die Matutin und Laudes, zum feierlichen Abschluß steigen Wolken von Weihrauch vom Hochaltar auf – und so geschieht es in einem der schönsten Gebäude der Welt an jedem einzelnen Tag – und all das ohne Gekünsteltheit und Krampf, sondern jeder wie er es gewohnt ist, jeder kümmert sich um Seines und überläßt den anderen das Ihre.
Die höhere Einheit zum Lobe Gottes, die aus dieser Vielfalt hervorgeht, haben die Kollektivisten des 20. Jahrhunderts nie verstanden, ihre kläglichen Nachfolger und Nachplapperer im 21. Jahrhundert sind dazu offenbar noch weniger in der Lage. Rücksichtslos und ohne jede Achtung vor Tradition und Gesetz zerstören sie, was sie nicht begreifen – und da sie so gut wie nichts wirklich verstanden haben, ist nichts vor ihnen sicher. Die Peterskirche als Museum, mit Online-Ticketverkauf für die Romtouristen und Virenscanner am Einlaß – wer weiß, vielleicht wäre das genau nach ihrem Geschmack.
Konzelebration - ein Herzstück des NO
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- 19. März 2021
Die demonstrative Monopolisierung der Peterskirche für die Konzelebration im Novus Ordo bedeutet weitaus mehr als die damit einhergehende Verbannung der überlieferten Liturgie in die vielleicht 10 Plätze bietende Capella Clementina der Grotti. Diese Herabstufung ist wenig mehr als ein willkommener Seiteneffekt einer Maßnahme, die noch weitergehende Ziele verfolgt.
Die Konzelebration war und ist eine der Lieblingsideen des radikalen Flügels der Liturgiereformer der 60er Jahre. So, wie dieser Flügel es versteht, zielt sie darauf ab, den „Gemeinschaftscharakter“ der Eucharistiefeier zu verabsolutieren und die Rolle und Stellung des Priesters zu reduzieren und in der „um den Altar versammelten Gemeinde“ untergehen zu lassen. Damit soll nicht bestritten werden, daß Konzelebrationen nach der ganzen Anlage des Novus Ordo in bestimmten Ausnahmefällen einen diskutablen Sinn haben können – etwa als Ausdruck der Einheit des Presbyterates mit dem Bischof in der Feier der Chrisammesse oder auch der Priester mit ihren Confrates bei großen Versammlungen und Kongressen. Unter Hinweis auf solche Sonderfälle wurde die Neueinführung der Konzelebration den Konzilsvätern bei der Diskussion von Sacrosanctum Concilium schmackhaft gemacht, während gleichzeitig die Möglichkeit weiterer Ausdehnung eröffnet wurde. Der betreffende Abschnitt 57 der Konzilskonstitution ist ein Musterbeispiel für zielbewußt eingesetzte Ambivalenz.
Außerdem enthält er eine Aussage, die – wenn man sie nicht komplett als Unwahrheit bezeichnen will – zumindest auf ziemlich schwachen Füßen steht. Der Einleitungssatz behauptet: „Die Konzelebration ist in der Kirche des Ostens wie des Westens bis auf den heutigen Tag in Übung geblieben.“ - was für den Westen durchaus zweifelhaft ist. Die in diesem Zusammenhang regelmäßig angeführte „Konzelebration“ der gerade geweihten Neupriester mit dem Bischof in der Weihemesse wird vielfach nicht als tatsächlich sakramentale Konzelebration betrachtet, sondern als ein „gemeinsames Sprechen der Gebete mit dem Bischof“, ein ritualisiertes Überbleibsel einer letzten Einführung in die rechte Feier des Messopfers. Die Tatsache, daß die Neugeweihten dabei im überlieferten Ritus stets ein erfahrener Priester als Assistent begleitet, unterstreicht dieses Verständnis.
Eine zunächst überwiegend praktisch begründete Forderung nach sakramentaler Konzelebration wird nach unserer Literaturkenntnis erstmals in den 40er Jahren sichtbar.
Opferung oder Gabenbereitung II
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- 17. März 2021
(Fortsetzung des Beitrags vom 11. März)
Die traditionellen Gebete zur Opferung sind zu allererst Ausdruck der Opfergesinnung des Priesters selbst und der mit ihm feiernden Gemeinde. Bei der „Darbringung des Brotes“ im suscipe wird das besonders klar ausgesprochen:
Heiliger Vater, allmächtiger, ewiger Gott,nimm diese makellose Opfergabe gnädig an. Dir meinem lebendigen, wahren Gott, bringe ich, Dein unwürdiger Diener, sie dar für meine unzähligen Sünden, Fehler, und Nachlässigkeiten. Ich opfere sie auf für alle Umstehenden und alle Christgläubigen, für die Lebenden und Verstorbenen. Gib, daß sie mir und ihnen zum Heile gereichen für das ewige leben.
Man kann in dem „makellos“ eine Vorwegdeutung auf die späteren Darbringung des Leibes und Blutes Christi selbst, der einzigen wirklich „makellosen“ Opfergabe, erblicken. Man kann dabei aber auch an die aus dem Opfer im Tempel schon aus vorchristlicher Zeit ererbte Verpflichtung denken, nur „makellose“ Opfergaben dazubringen, die sich die Kirche hier zu eigen macht. Tatsächlich war die Sorge um eine der Würde ihrer Verwendung entsprechende Qualität der Opfergaben einer der Beweggründe dafür, daß Brot und Wein für die Konsekration nicht mehr aus den von der Gemeinde herbeigebrachten Gaben genommen, sondern vom Klerus selbst bereitgestellt wurden.
In jedem Fall kontrastiert diese Zusicherung der Makellosigkeit der Gaben mit der unmittelbar darauffolgend eingestandenen Unwürdigkeit des Priesters, der ebenso wie die mitfeiernde Gemeinde jeden Grund hat, Sünden und Fehler zu bereuen und ein Sühneopfer zu bringen. Dieses Bekenntnis findet in der tridentinischen Form des Gebetes nur noch verhältnismäßig knappen Ausdruck. In den vorhergehenden Jahrhunderten war diese sogenannte „Apologie“ je nach Zeit, Ort und Gemeinschaft sehr ausführlich ausgebildet; Jungmann spricht in diesem Zusammenhang mißbilligend von einem „Wuchergewächs der Apologien“. Einen Grund für diese Mißbilligung benennt er nicht, möglicherweise drückt er damit ein in der Mitte des vorigen Jahrhunderts verbreitetes klerikalistisches Verständnis aus, dem das Eingeständnis der Sündhaftigkeit und Unwürdigkeit auch des Priesters unangenehm war. Der Novus Ordo jedenfalls hat die Apologie an dieser Stelle ganz gestrichen – so wie er schon in der Einleitung zur Messfeier das confiteor herabgestuft hat. Das Sündenbewußtsein des mittelalterlichen Gläubigen war deutlich stärker als heute – ob die heutigen zu solcher Erleichterung wirklich Grund und Anlaß haben, steht doch sehr dahin.
Die Form des Gebetes, in der nicht von Brot, sondern nur von Gaben gesprochen wird, deutet darauf hin, daß die getrennte Darbringung nicht die ursprüngliche Form dieses Aktes ist.
Freu Dich, Jerusalem!
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- 15. März 2021
Die freudige Aufforderung „Laetare Jerusalem“ bestimmt am 4. Fastensonntag den Ton der Liturgie. Sogar den Farbton der Gewänder, die an diesem Tag vom Violett der Fastenzeit in eine hellere rosenfarbige Variante (nein, nicht pink!) wechseln.
Nach der traditionellen Zählung der Fastentage war am Donnerstag vor dem 4. Fastensonntag „Halbzeit“ der Tage von Buße und Entbehrung und damit ein äußerer Anlaß, nicht am Tage selbst, aber doch am darauffolgenden Sonntag (und somit außerhalb des eigentlichen Fastens!) schon in der Vorausschau ein wenig von der Osterfreude zu kosten. Laetare, Jerusalem! Den Aufruf des Propheten Jesaias verstärkt die Kirche noch mit dem Zitat des ersten Verses von Psalm 121.: „Wie freute ich mich, als man mir sagte: Wir ziehen zum Hause des Herrn. Die Freude wird allerdings gleich wieder gedämpft im Tagesgebet, das daran erinnert, daß die Zeit der Vorbereitung und der Buße noch nicht vorbei ist:
Wir bitten Dich, allmächtiger Gott, laß uns, die wir mit Recht für unsere Missetaten gezüchtigt werden, durch den Trost Deiner Gnade wieder aufatmen
Das Zitat aus Psalm 121 und seine Verwendung in der Liturgie dieses Sonntags gibt willkommene Gelegenheit, darüber nachzudenken, wie die Kirche sich die aus dem Judentum ererbten Psalmen und die anderen Bücher des Alten Testaments zum eigenen Besitz erworben hat.
Zunächst lenkt der Vers den Blick, der bei Jesajas auf den als gegenwärtig vorgestellten Tempels gerichtet ist, wieder auf die Zukunft, die erst noch kommen soll: Wir ziehen zum Hause des Herrn – aber noch sind wir nicht da. Das entspricht sowohl der Entstehungssituation des Psalms als auch seinem Gebrauch im vorchristlichen Judentum. Die Entstehung wird allgemein in die Zeit der Beendigung des babylonischen Exils, in die Jahre nach der Freilassung, aber vor der Wiederaufnahme des Kultes im erst wiederherzustellenden Tempel datiert. Danach wurde der Psalm zum Lied der Pilger auf dem Weg in die heilige Stadt. Gut vorstellbar, daß es unter den Liedern war, die gesungen wurden, als die Familie Jesus‘ den 12-Jährigen zum ersten Mal mit zur Feier des Paschafestes nahm. (Lukas 24,41)
Die Kirche hat den Psalm nach der Zerstörung von Stadt und Tempel früh umgedeutet oder besser erweitert in dem Gedanken des pilgernden Aufstiegs zum himmlischen Jerusalem – womit wir wieder ein gutes Stück näher am Sonntag zur Markierung der Mitte des vorösterlichen Fastens wären.